Biodiversität als Hebel für Projekte

Der Begriff "nature deficit disorder" wurde von dem Journalisten Richard Louv in seinem Buch "Last Child in the Woods" (2005) eingeführt und bezeichnet physische, psychische und kognitive Störungen, die mit der zunehmenden Entkoppelung des Menschen - insbesondere des Kindes - von der natürlichen Umwelt zusammenhängen.
Definition: ein Beziehungsdefizit, keine medizinische Pathologie
Der Begriff "Naturdefizitstörung" bezeichnet keine Krankheit im medizinischen Sinne. Er beschreibt eine Situation, in der die Interaktion mit dem Lebendigen verarmt ist und deren Auswirkungen auf das Wohlbefinden, die psychische Gesundheit, die Aufmerksamkeitsfähigkeit und die psychomotorische Entwicklung dokumentiert sind.
In städtischen Gebieten wird diese Trennung durch die Verknappung von Naturräumen, den geringeren Kontakt zu natürlichen Umgebungen, aber auch durch den Lebensrhythmus und die digitale Nutzung verstärkt. Auf der Ebene der Kinder bringen mehrere Studien dieses Defizit mit Konzentrationsstörungen, einer Zunahme von Angstzuständen, Fettleibigkeit oder auch einer Verringerung der sozialen Kompetenzen in Verbindung.
Eine Frage der Umweltgesundheit ... und der sozialen Gerechtigkeit
Die Arbeiten zu diesem Thema sind sich einig: Der Zugang zur Natur verbessert die physische und psychische Gesundheit, regt die Vorstellungskraft an, fördert die freie Motorik und entwickelt die Beziehung zum Anderssein. Dieser Zugang ist jedoch nicht gleichmäßig auf die einzelnen Gebiete verteilt.
In den am stärksten eingeschränkten Stadtvierteln bleibt das Vorhandensein von Biodiversität, zusammenhängenden Grünflächen und ökologischen Korridoren oft begrenzt. Diese Feststellung verknüpft die ökologische Frage mit der Frage der Chancengleichheit, der öffentlichen Gesundheit und der Lebensqualität.
Zertifizierung als Hebel: Auf dem Weg zu einer verordnungsfähigen Biodiversität
Wir bei IRICE sind der Ansicht, dass Biodiversität in Städten keine ästhetische Option ist, sondern eine operative Anforderung. Die Wiedereinführung der Natur in städtischen Projekten setzt gemeinsam genutzte, nachvollziehbare und einklagbare Instrumente voraus. Dies ist die Aufgabe der Effinature-Zertifizierung und des Biodiversity Performance Score (BPS): Sie geben diesen Verpflichtungen einen messbaren Rahmen, garantieren ihre Effektivität und verankern die ökologische Rückeroberung in einer Logik der Ergebnisse.
Schlussfolgerung: Die lebendige Verbindung wiederherstellen
Die Verringerung der "nature deficit disorder" erfordert einen systemischen Ansatz. Er betrifft Bauherren, Kommunen, Planer, aber auch Zertifizierer. Durch robuste Referenzsysteme, die sich an den tatsächlichen Bedürfnissen der Bewohner orientieren, wird die Renaturierung von Städten zu einem glaubwürdigen Hebel für die öffentliche Gesundheit.